Alle Jahre wieder häufen sich die Vorhersagen eines angeblich drohenden Jahrhundertwinters. Auch in diesem Jahr haben uns einige Medien rekordverdächtige Kälteperioden vorausgesagt. Quelle dieser Prognose seien die Forschungsergebnisse britischer Wissenschaftler. Diese sagen, bedingt durch ein aktuelles Sonnenfleckenminimum, eine geringe Sonnenaktivität bis 2020 voraus.
Droht uns also wirklich ein eiskalter Rekordwinter?
Die einfache und für Sie vielleicht enttäuschende Antwort: Niemand weiß es. Dafür wird Ihnen aber jeder ernstzunehmende Meteorologe bestätigen, dass Langzeitprognosen beim Wetter reiner Unsinn sind. Wissenschaftlich fundierte Vorhersagen begrenzen sich auf einen Zeitraum von bis zu zehn Tagen. Alles darüber ist entweder hoch spekulativ oder einfach nur grober Unfug. Die Meldung über einen vermeintlichen Jahrhundertwinter, die ursprünglich von russischen Medien verbreitet wurde, ist wohl eher letzterem zuzuordnen.
Natürlich ist die Widerlegung wissenschaftlich unbegründeter Prognosen keine Garantie dafür, dass der Winter 2017/18 nicht doch zum kältesten Winter seit Beginn der Aufzeichnungen werden könnte. Es ist nur einfach nur sehr unwahrscheinlich. Der letzte „Jahrhundertwinter“ liegt fast 50 Jahre zurück. Im Winter 1962/63 lag die durchschnittliche Temperatur ganze 6 Grad unter dem langjährigen Mittel. Durch außergewöhnlich lang anhaltende Kältewellen kam es unter anderem zu einem vollständigen Zufrieren des Bodensees. Aufgrund der großen Tiefe des Bodensees passiert das nur äußerst selten, davor zuletzt im Jahr 1830. Wetterexperten rechnen etwa alle 100 bis 250 Jahre mit einem solchen Ereignis.
Damit Sie diese Zahlen einmal in Relation setzen können: Der kälteste und schneereichste Winter der jüngsten Vergangenheit in den Jahren 2009/2010 erreichte lediglich eine Abweichung von -1,4 Grad. Alle ambitionierten Wintersportfreunde, die also unbedarft einen Jahrhundertwinter herbeisehnen, sollten sich lieber noch einmal vor Augen führen, welche Konsequenzen damit verbunden sind.
Sehr viel wahrscheinlicher als ein Jahrhundertwinter sind hingegen kurzzeitige Kältewellen wie zuletzt im Januar 2017. Über einen Zeitraum von etwa drei Wochen herrschten in nahezu ganz Europa eisige Temperaturen und vereinzelt wurden sogar Tiefsttemperaturen (-42,4 Grad in Kautakeino/Norwegen) wie seit 30 Jahren nicht mehr erreicht. Mehr als 100 Menschen kamen europaweit ums Leben. Und trotz dieser Kältewelle war der gesamte Winter 2016/17 sogar 1 Grad wärmer als der langjährige Mittelwert. Grundsätzlich muss für Winterprognosen natürlich auch die fortschreitende Klimaerwärmung berücksichtigt werden. Im Schnitt werden uns in der Zukunft also eher mildere als strengere Winter erwarten. An der Wahrscheinlichkeit von einzelnen Kältewellen wird das laut Meteorologen aber nichts ändern.
Klimatologisch ist der Begriff Kältewelle nicht einheitlich definiert. In Regel sprechen Wetterexperten von einer Kältewelle, wenn die Lufttemperatur innerhalb kurzer Zeit so stark abkühlt, dass sie deutlich unterhalb der für die Jahreszeit üblichen Durchschnittstemperatur fällt. In Deutschland treten Kältewellen vor allem zwischen Oktober und Anfang Mai auf. Besonders folgenreich sind sie in den Monaten Dezember bis Februar, wenn die Durchschnittstemperaturen sowieso sehr niedrig sind. Dann kann das Thermometer schon mal unter -20 Grad fallen. In Deutschland werden solch arktische Temperaturen vor allem für Obdachlose und alte Menschen zur lebensgefährlichen Bedrohung.
Beispielhaft für extreme Kältewellen in der deutschen Wetterhistorie ist noch immer die Schneekatastrophe im Winter 1978/79. Während Ende Dezember 1978 noch milde Temperaturen von bis zu +10 Grad herrschten, änderte sich die Wetterlage zum Jahreswechsel schlagartig. Quasi über Nacht fielen die Temperaturen bis zu 30 Grad ab und sorgten für rekordverdächtige Schneefälle mit teilweise 70 Zentimetern Neuschnee. Die Stromversorgung brach in weiten Teilen Norddeutschlands zusammen. Katastrophenalarm wurde ausgelöst. Meterhohe Schneeverwehungen, stillgelegter Verkehr und von der Außenwelt abgeschnittene Ortschaften vervollständigten das Chaos.
Quellen / Anmerkungen
Winterprognosen sind und bleiben Blödsinn Kachelmannwetter
Thema: Kältewelle Süddeutsche Zeitung
Schnee von morgen – Seriöse und unseriöse Prognosen FAZ
1978/79: Schneekatastrophe legt Norden lahm NDR Geschichte