Sieben Todesopfer und Schäden in dreistelliger Millionenhöhe – die tragische Bilanz unseres ersten schweren Herbststurms in Deutschland 2017. Natürlich sind Stürme in dieser Jahreszeit keine Seltenheit, doch mit Windgeschwindigkeiten über 100 Stundenkilometer hat Tief Xavier im Norden Deutschlands ein enormes Zerstörungspotenzial entwickelt.

Der wohl größte Einzelschaden entstand in Wilhelmshaven, wo eine orkanartige Böe einen 1400 Tonnen schweren Kohlekran von den Schienen hob, drehte und schließlich in das Hafenbecken kippte. Noch immer ist ungeklärt, wie und wann der riesige Kran geborgen werden kann und wie hoch die Kosten sein werden. Zu hohen Folgeschäden führte auch der Totalausfall des Schienennetzes in weiten Teilen Norddeutschlands. Der Bahnverkehr wurde vorübergehend in mehreren Bundesländern komplett eingestellt, weil unzählige Äste und sogar ganze Bäume auf die Schienen stürzten. Große Gewinner des Sturmchaos waren die Taxifahrer, die plötzlich Reisende quer durch die Bundesrepublik fahren durften. Mit Strecken wie Hannover-Berlin oder Köln-Hamburg mit nur einer Fahrt mehr als ihren durchschnittlichen Tagesumsatz verbuchen konnten.

Kater Sebastian im Sturm

Kater Sebastian im Sturm


Auch eine Woche nach dem Sturm wird noch fleißig aufgeräumt, was Xavier am 5. Oktober ordentlich durcheinander gewirbelt hat. Trotz hoher Windgeschwindigkeiten von über 100 km/h ist Tief Xavier noch als klassischer Sturm einzuordnen. Aber ab wann wird ein heftiger Wind eigentlich zum Sturm, was ist ein Orkan und warum kann es in Europa keinen Hurrikan geben?

Fangen wir ganz vorne an. Per Definition ist ein Sturm ein sehr heftiger Wind mit Geschwindigkeiten zwischen 20,8 und 32,6 Metern pro Sekunde, was etwa 75 bis 117 km/h entspricht. Gemessen werden Stürme nach der so genannten Beaufort-Skala, die nach dem britischen Admiral Sir Francis Beaufort benannt ist. Mit über 100 Stundenkilometern im Flachland ist Xavier bereits als orkanartiger Sturm einzuordnen. Solche Windgeschwindigkeiten knicken eben nicht nur mit Leichtigkeit Bäume um, sondern sorgen dafür, dass Sie im wahrsten Sinne des Wortes den Boden unter Ihren Füßen verlieren können. Stärkere Stürme mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 117 km/h werden ganz unterschiedlich benannt, je nachdem wo sie auftreten. Eines haben sie aber gemeinsam: Sie können wahrhaft verheerende Schäden anrichten. Zwar lassen sich diese zerstörerischen Wetterphänomene mittlerweile einigermaßen zuverlässig vorhersagen, zu verhindern sind sie aber nicht.

Welche Arten von Stürmen gibt es?

Orkane

Heftige Stürme über Mittel- und Nordeuropa mit Windgeschwindigkeiten von mindestens 117 Stundenkilometern. Orkane treten vor allem im Herbst und Winter auf, weil dann der Temperaturunterschied zwischen Nordpol und südlichen Breiten besonders groß ist. Kalte Luft aus dem Norden trifft auf warme Luft aus den Äquatorregionen. Als Jahrhundertsturm schaffte es der Orkan Kyrill im Jahr 2007 in die Geschichtsbücher: mit bis zu 225 Stundenkilometern fegte er über weite Teile Europas hinweg, forderte 47 Menschenleben und verursachte 10 Milliarden Euro Sachschäden.

Tropische Wirbelstürme

Luftgiganten, die über dem Ozean entstehen und je nach Region Hurrikan (Atlantik und Nordostpazifik), Taifun (Nordwestpazifik und Südostasien) oder Zyklon (Indischer Ozean und Südpazifik) genannt werden. Voraussetzungen für die Entstehung sind Temperaturen an der Wasseroberfläche von mindestens 26 Grad. Feuchtwarme Meeresluft steigt auf und durch die sogenannte Corioliskraft, die auf die Erdrotation zurückgeht, entstehen gigantische Luftwirbel mit einem Durchmesser bis zu 1000 Kilometern. Im Inneren dieser Wirbel können sich Windgeschwindigkeiten von über 300 km/h entwickeln. Für solch extreme Werte gilt die Saffir-Simpson-Hurrikan-Skala, welche die Intensität von tropischen Wirbelstürmen misst. Treffen diese Stürme auf Land sind schwerste Verwüstungen die Folge. Häufig werden sie von Flutwellen begleitet, die ganze Landstriche unter Wasser setzen. Welches Schadenausmaß tropische Wirbelstürme erreichen, verdeutlichen die jüngsten Verwüstungen der aktuellen Hurrikan-Saison mit den Stürmen „Harvey“, „Irma“ und „Maria“. Nach Einschätzung der Investmentbank JP Morgan könnte 2017 zum teuersten Naturkatastrophenjahr für die Versicherungsbranche seit Beginn der Aufzeichnungen werden. Auf 140 Milliarden Euro schätzen die Analysten die Summe der versicherten Schäden.

Tornados

Luftwirbel mit den höchsten Windgeschwindigkeiten aller Stürme, bis zu 500 km/h wurden bereits gemessen. Tornados entstehen, wenn sich große Gewitterwolken über aufgeheizter Luft bilden. Wenn die Kaltluft von oben herab stürzt, schraubt sich die warme Luft in einer Säule immer schneller nach oben. Dabei entsteht am unteren Ende ein Rüssel mit extremen Geschwindigkeiten. Wo dieser Rüssel den Boden berührt, lässt er meist keinen Stein auf dem anderen. Selbst Lastwagen und Züge werden wie Spielzeug durch die Luft geschleudert. Am häufigsten treten Tornados im mittleren Westen der USA auf. Auch in Deutschland werden jährlich bis zu 100 solcher Luftwirbel dokumentiert, allerdings erreiche diese nur selten zerstörerische Ausmaße. Gemessen wird die Stärke von Tornados nicht an der Windgeschwindigkeit, sondern am Grad der Verwüstung. Die genaue Klassifizierung finden Sie im Lexikon-Eintrag zu Tornados.

Blizzard

Heftige Schneestürme, die oft in Orkanstärke auftreten. Besonders gefürchtet auf dem nordamerikanischen Kontinent. Ein Blizzard bringt teilweise haushohe Schneeverwehungen mit sich und hat in den USA und Kanada bereits ganze Bundesstaaten für mehrere Tage lahm gelegt.

Sand- und Staubstürme

Sehr trockene und heiße Winde können in Wüstengebieten große Mengen kleiner Partikel aufnehmen und über gewaltige Entfernungen transportieren. Ein solcher Sandsturm rollt als kilometerhohe Welle über den Boden und kann bis 100 Millionen Tonnen Sand mit sich tragen. Im Inneren dieser Stürme ist das Atmen stark erschwert und die Sichtweite beträgt oft nur wenige Meter. Satellitenbilder zeigen wie Sandstürme aus den Wüsten Afrikas hunderte Kilometer auf den Atlantik hinausziehen, bevor sie schließlich abflauen. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass die Stürme ganze Heuschreckenschwärme mit mehreren Millionen Insekten transportieren, die schließlich wie ein Regen über dem Atlantik niedergehen. Ein wahres Festmahl für die Fische.