Wer in den Wintermonaten verreist, der kennt eigentlich nur zwei Ziele. Entweder Sie gehören zu den ewigen Sonnenanbetern und entfliehen dem kalt-feuchten Klima Europas mit einer Reise in tropische Gefilde, oder aber Sie sind ein begeisterter Wintersportler. Dann brauchen Sie vor allem eines: SCHNEE!

Gehören Sie zur letzteren Gruppe zieht es Sie als Deutscher sehr wahrscheinlich in die Alpen. Die Gebirgskette im Herzen Europas zählt zu den größten und umsatzstärksten Tourismusgebieten weltweit. Vor nicht allzu langer Zeit (Anfang der 2000er) erwirtschaftete die Alpenregion elf Prozent der weltweiten Tourismuseinnahmen. In Österreich wird noch heute jeder dritte Euro direkt oder indirekt durch Besucher aus dem Ausland erwirtschaftet. Einen großen Teil dieser Gelder tragen seit jeher die Wintersportler in die Alpen.

Doch das Ski-Paradies hat ein dickes Problem: Den Klimawandel.

Forscher sagen voraus, dass es in den Alpen spätestens im Jahr 2050 kein natürliches Skigebiet mehr für den Wintersport geben wird. Seit über 35 Jahren verschiebt sich die Schneefallgrenze in immer höhere Lagen. Fünf der zehn wärmsten Winter seit Beginn der Wetteraufzeichnungen haben wir in den letzten zehn Jahren erlebt. Viele Pistenbetreiber in niedrigeren Lagen hätten eigentlich schon vor Jahren ihr Geschäft aufgeben müssen. Doch die Wintersportsaison dauert heute sogar länger als je zuvor. Wie kann es sein, dass die meisten Pisten ihren Betrieb bereits im November aufnehmen – lange vor dem ersten Schneefall.

Die Antwort ist relativ simpel – der Mensch macht den Schnee einfach selbst. Mehr als die Hälfte aller Alpenpisten werden mittlerweile mit Kunstschnee beschneit. Pro Piste sind teilweise bis zu 50 Schneekanonen im Einsatz. Längst hat sich die Tourismusbranche von der Natur losgesagt und nimmt den Job von Frau Holle selbst in die Hand. Auf den meisten Pisten wird nicht nur punktuell zur Ausbesserung beschneit. Im Gegenteil: „Grundbeschneiung“ heißt die neue Realität. Sobald der erste anhaltende Frost in den Ski-Gebieten Einzug hält, wird aus allen Rohren geschossen.

Der künstlich erzeugte Schnee ist dabei wesentlich dichter und widerstandsfähiger als die natürliche Variante. Moderne Schneekanonen verteilen ein spezielles Schneegemisch auf den Hängen, das exakt auf die vorhergesagte Kombination aus Kälte und Luftfeuchtigkeit des Folgetages abgestimmt ist. Damit nutzen sich die Pisten langsamer ab und halten unter widrigen Wetterbedingungen deutlich länger. Für die Pistenbetreiber ein wahrer Segen, für die Natur eher weniger.

Denn unter den Pisten verläuft heutzutage ein weit verzweigtes Netzwerk aus Wasserrohren und Energieleitungen. Die Ausschachtungen der dafür notwendigen Gräben sind ein massiver Eingriff in das sonst so idyllische und weitestgehend unberührte Ökosystem der Alpenbergwelt. Naturschützer beobachten die Expansion der Wintersportbranche mit großer Sorge. Die Folgen durch die zunehmenden baulichen Maßnahmen in der Berglandschaft sind unter anderem eine höhere Erosionsgefahr und eine geringere Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren.

Besonders sichtbar werden die Eingriffe durch den Bau künstlicher Stauseen. Denn ein großes Problem von Kunstschnee ist, dass er viel mehr Wasser enthält, als natürlicher Schnee. Die natürlichen Wasservorräte der Berge reichen für die Beschneiung einfach nicht aus. Deshalb werden riesige Löcher in die Berghänge gebuddelt. Mehrere Fußballfelder groß und etwa 15 Meter tief. Das in den künstlichen Seen gelagerte Wasser muss abhängig von der Außentemperatur sogar noch mit entsprechenden Aggregaten gekühlt werden, bevor es mit zusätzlichem Energieaufwand in Richtung Schneekanonen gepumpt wird.

Und das sind nur die Auswirkungen der Anbieterseite des Wintersports auf die Natur- und Kulturlandschaft der Alpen. Hinzu kommt die Umweltbelastung durch die Touristen selbst. Tirol, das mit Abstand beliebteste Tourismusgebiet der Alpen, zählt im Jahr 2017 über 47 Millionen Übernachtungen. Die Mehrheit der Besucher reist mit dem Auto an. Das führt dazu, dass stark besuchte Bergorte in Boden, Luft und Wasser mittlerweile ähnliche Schadstoffwerte wie deutsche Großstädte vorweisen.

Die Alpenregion riskiert ihr wertvollstes Gut: Die beeindruckende Natur und Schönheit der Berglandschaft.

Schweizer Alpen im Winter ohne Schnee

Schweizer Alpen im Winter ohne Schnee

Übrig bleibt am Ende die Frage: „Wofür eigentlich?“. Denn die Zahl der Wintertouristen stagniert seit Jahren bei etwa 20 Millionen. Und trotzdem werden in den Alpen weiterhin Millionen in den Ausbau der Wintersportbranche investiert. Der Wettbewerb wird immer härter und unsinniger. Denn teilweise werden gerade die Skigebiete ausgebaut, wo eine künstliche Beschneiung wegen steigender Temperaturen schon in einigen Jahrzehnten unmöglich sein könnte. Sowohl aus ökologischen als auch wirtschaftlichen Interessen wären Investitionen in sanften Tourismus vielerorts wesentlich sinnvoller, damit Besucher ganzjährig angelockt werden. Das ist natürlich nur möglich, wenn weder kahle Pistenflächen, noch Beschneiungslagen oder künstliche Stauseen die Landschaft verunstalten.

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Quellen / Anmerkungen

Skifahren im grünen Bereich Zeit Online
Pulverschnee aus Schneekanonen ARD – W wie Wissen
Schnee war’s Süddeutsche Zeitung
Kunstschnee hat ein schlechtes Image – zu Recht? Die Welt
Aus allen Rohren Neue Zürcher Zeitung